
Ein Beitrag von Eva Flehschurz in ESSLING Nr. 11 - ein stadtteilmagazin (winter 2024/25)
Unlängst spazierte ich auf der Esslinger Hauptstraße Richtung stadtauswärts, was ich sehr selten tue. Wegen des starken Verkehrsaufkommens warats. Dabei sprang mir das Straßenschild Seefeldergasse ins Auge. Nicht, dass diese Straße für mich eine unbekannte wäre. Nach über 35 Jahren in Essling und häufigen Öffifahrten – es gibt eine gleich lautende Busstation, außerdem thront dort einer unserer Supermärkte – kommt man an diesem Straßennamen nicht vorbei. Was mich aber an dem Tag innehalten ließ, war die bisher von mir nicht wahrgenommene Zusatztafel unter dem Schild. So beschloss ich, mich mit dieser Gasse näher zu beschäftigen. Ich bemühte einmal mehr Wien Geschichte Wiki um Auskunft:
Seefeldergasse am 16. November 1955 im Gemeinderatsausschuss für Kultur benannt nach Richard Seefelder. Vorher: Gärtnerstraße. Ein Klick auf den Namen Richard Seefelder brachte folgendes zutage: 1875–1949, Ophthalmologe, Professur für Augenheilkunde in Leipzig und Innsbruck. Und dann wurde es spannend, zitiere: „Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kom-mission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur historischen Einordnung von Richard Seefelder wurde der Straßenname als Fall mit intensivem Diskussionsbedarf eingeordnet. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Richard Seefelder ab 1933 (offiziell ab 1938) Mitglied der NSDAP und der SS, wobei er in Innsbruck zwischen 1934 und 1938 als „illegales Parteimitglied“ politische Verfolgung erfuhr und bereits vor 1938 nationalsozialistische Organisationen (wie den Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund) oder Mitglieder der NSDAP unterstützte. Seine weiteren Mitgliedschaften: Vaterländische Front, NSKK (Nationalsozialistische Kraftfahrkorps), GDVP (Großdeutsche Volkspartei), Verein der Reichsdeutschen, Deutsch-österreichischer Volksbund, (ab 1895) Corps Bavaria Erlangen und (ab 1923) Athesia Innsbruck sowie Unterstützung (bereits vor 1938) für den NSDÄB. Seefelder, der bereits im Zeitraum von 1899 bis 1919 als Militärarzt und Sanitätsoffizier tätig war, konnte beachtliche Karriereschritte während der NS-Zeit vorweisen: Er diente als Oberstabsarzt der Wehrmacht und erhielt 1939 die Zulassung beim „Amt für Volksgesundheit“. Innerhalb der SS wurde er im Zeitraum von 1938/39 zum Staffel-Oberscharführer, zum SS-Untersturmführer sowie zum Führer im Ausbildungsstab der Sanitäts-Abteilung 36 ernannt. Nach Kriegsende erfolgte 1947 Seefelders Zwangspensionierung, im selben Jahr wurde er allerdings begnadigt. Seefelder weist keinen Wien-Bezug auf.“ Zitat Ende.
Animiert zu weiterer Recherche fand ich drei Straßennamen, die in die gleiche Kerbe schlagen:
Colerusgasse am 28. September 1960 im Gemeinderatsausschuss für Kultur benannt nach Egmont von Colerus zu Geldern:1888–1939, Schriftsteller (über Naturwissenschaften), 1921 Beamter des österreichischen Bundesamtes für Statistik. Stellungnahme der Kommission: „Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Egmont Colerus von Geldern ab 1939 Mitglied in der Reichsschrifttumskammer sowie Vorstandsmitglied des ‚Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs‘. Er begrüßte den ‚Anschluss‘ und deklarierte sich diesbezüglich im ‚Bekenntnisbuch österreichischer Dichter‘. Sein Antrag um Aufnahme in die NSDAP wurde negativ beschieden.“
Grosserweg am 16. November 1955 im Gemeinderatsausschuss für Kultur benannt nach Otto Grosser. Vorher: Schulweg. 1873–1951, Anatom, Mediziner. Stellungnahme der Kommission: „Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe arbeitete Otto Grosser in den Bereichen Entwicklungsgeschichte und Rassenhygiene, leitete die Abteilung Wissenschaft im NS-Dozentenbund und fungierte in der (ab 1939 vom SS-Ahnenerbe herausgegebenen) Zeitschrift ‚Der Biologe‘ als Sachbearbeiter für Anthropologie und Ontogenie. 1943 wurde Grosser die ‚Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft‘ verliehen. Nach Kriegsende floh er 1945 von Prag ins Salzkammergut, trotz seines Statuses als ‚Belasteter‘ durfte er aber seine Mitgliedschaft bei der Akademie der Wissenschaften auf Grund seines fortgeschrittenen Alters behalten.“
Kloepferstraße am 16. November 1955 im Gemeinderatsausschuss für Kultur benannt nach Hans Kloepfer. Ursprünglich Feldgasse, ab 1901 Hamerlingstraße. 1867–1944, Arzt, Lyriker. Stellungnahme der Kommission: „Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Hans Kloepfer ein vom Regime geförderter Schriftsteller. Kloepfers offenkundige Sympathie für den Nationalsozialismus – er bejahte Hitlers Einmarsch euphorisch im ‚Bekenntnisbuch österreichischer Dichter‘ von 1938 – schlug sich in einschlägigen Gedichten nieder. Er erhielt zahlreiche Preise (‚Goethe-Medaille‘) und Ehrenmitgliedschaften (Bund Deutscher Schriftsteller, Ehrenbürgerschaft der Stadt Graz) sowie eine NSDAP-Nummer aus dem Kontingent für ‚verdiente‘ Österreicher. Ein Wienbezug von Kloepfer lässt sich – abgesehen von bei Wiener Verlagen erschienenen Werken - nicht nachweisen.“
Die Kommission stufte an die 170 Wiener Straßennamen als historisch belastet ein. Für 28 davon wurden Zusatztafeln erstellt, nachzulesen unter „Zusatztafel für historisch be-lastete Straßennamen“ (wien.gv.at), im Bericht „strassennamenbericht.pdf“ (wien.gv.at). Zugegeben, mein heutiger Beitrag stimmt nachdenklich, vor allem in Hinblick darauf, wann diese Straßen(um)benennungen stattfanden...
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Eva Flehschurz, Schreibpädagogin
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