Nahtstellenübergangsbegleitung – was für ein sperriger Begriff! Gemeint ist damit die Begleitung von Kindern (und deren Eltern) beim Übergang von einer Bildungsinstitution in die nächste. Von Anfang an war die Verbesserung dieses Begleitprozesses ein zentrales Anliegen und Arbeitsschwerpunkt im Bildungsgrätzl Essling.
Wenn der Wechsel vom Kindergarten in die Volkschule ansteht, wenn nach den ersten vier Schuljahren bzw. nach der Unterstufe die Entscheidung getroffen werden muss, wie es nun am Bildungs- und später am Berufsweg weitergehen soll, entstehen sowohl bei Kindern bzw. Jugendlichen als auch bei deren Eltern viele Fragen und Unsicherheiten. Treffe ich die richtige Entscheidung für mein Kind? Werde ich mich in der Schule wohlfühlen? Wie kann es nach der Schule weitergehen? Die Akteurinnen im Bildungsgrätzl Essling haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Unsicherheiten proaktiv anzugehen und ihnen vorzubeugen: Durch ausführliche Informationsangebote für Eltern und vielfältige Möglichkeiten für junge Menschen, ihre zukünftige Schule, aber auch die Berufswelt bereits vor Eintritt kennenzulernen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit an den Nahtstellen konkret?
Einen wichtigen Eckpfeiler der Nahtstellenübergangsbegleitung stellt der persönliche und regelmäßige Austausch der Pädagoginnen dar. Hierfür wurden im Bildungsgrätzl Essling zwei Teams eingerichtet: Eines widmet sich der Nahtstelle Kindergarten –Volksschule, ein weiteres der Nahtstelle Volksschule – Sekundarstufe. Ganz bewusst kommen in diesen Teamtreffen nicht die Leitungsebene, sondern jene Menschen zusammen, die direkt mit den Kindern arbeiten: die Pädagogen aus den Kindergärten und Schulen. Mindestens zweimal jährlich stecken die Teams ihre Köpfe zusammen, tauschen sich über Neuigkeiten aus, beleuchten gemeinsam aktuelle Herausforderungen und Chancen und haben Gelegenheit, persönliche Ansprechpartnerinnen in den verschiedenen Institutionen kennenzulernen.
Die Treffen werden vom Verein Treffpunkt Essling moderiert und protokolliert, sodass Ideen, Vereinbarungen und Zuständigkeiten klar festgehalten und Prozesse auch über einen längeren Zeitraum hinweg nachvollziehbar bleiben – auch im Falle von personellen Änderungen. Bei Bedarf vernetzt Treffpunkt Essling die Bildungsinstitutionen mit Unternehmen, die für Schnuppertage oder Betriebserkundungen zur Verfügung stehen oder Workshops in den Bildungseinrichtungen anbieten. Einige der Maßnahmen, die in den Treffen der Nahtstellenteams als Pilotprojekte entwickelt wurden, sind mittlerweile fixer Bestandteil der Bildungsarbeit. Dazu zählen insbesondere die Besuchs- und Kennenlerntage für Kinder im letzten Kindergartenjahr in den Volksschulen sowie verschiedene andere gemeinsame Aktivitäten, die es Kindergartenkindern ermöglichen, bereits im Vorfeld „Schulluft“ zu schnuppern.
Wir haben in den Bildungsinstitutionen nachgefragt, wie sie die bisherige Zusammenarbeit erleben und welche Früchte sie bereits trägt. Ein Gespräch mit Anita Szladits (Kindergarten der Wiener Kinderfreunde Kaposigasse), den Nahtstellenpädagoginnen Edyta Habto-Gajko und Bettina Steinbichler (Smiley Kids) und Sabrina Takerer (GTVS Kirschenallee). Die Fragen stellt Michaela Mainer vom Verein Treffpunkt Essling.
Was ist für euch bisher der größte Erfolg der Zusammenarbeit zwischen den Esslinger Kindergärten und Volksschulen?
Bettina: Für uns ist dies in erster Linie die Bildungsarbeit für die Kinder im letzten Kindergartenjahr in Zusammenarbeit mit der Volksschule in Form der Lesepatenschaft. Aber auch das Umweltprojekt, die gemeinsame Müllsammelaktion, die wir im kommenden Jahr wiederholen möchten.
Anita: Der Austausch bezüglich der Schulstartkinder ist auch für uns besonders wichtig – davon profitieren vor allem die Kinder! Sie lernen die Schulgebäude kennen, bevor sie in die Schule kommen und gehen aufgrund der Angebote im Vorfeld orientiert ab der ersten Woche in die Schule. Wichtig ist aber auch der persönliche, direkte Austausch zwischen Pädagoginnen und Lehrern!
Sabrina: Ja, ich erlebe das auch so. Durch die Kennenlerntage, zu denen wir nun immer Anfang Juni einladen, spazieren die meisten Kinder an ihrem ersten Schultag viel selbstverständlicher ins Schulgebäude. Es ist eine Bereicherung für beide Seiten: Die „Großen“ führen jeweils zu zweit zwei der „Kleinen“ selbstständig durchs Schulhaus. Sie können zeigen, was ihnen wichtig ist – aus Sicht eines Schulkindes!
Inwiefern ist der Austausch mit den Kolleginnen in den Nahtstellenteams für euch hilfreich?
Edyta: Bei unseren gemeinsamen Treffen gibt es immer wieder ganz unterschiedliche, neue Ideen und Anregungen und wir haben so noch mehr Möglichkeiten, den Kindern tolle Angebote zu bieten. Der Austausch ist für uns sehr wertvoll!
Sabrina: Die Treffen bieten die Möglichkeit, die Arbeit der jeweils anderen Institution besser kennenzulernen. Wir erfahren, worauf wir in der ersten Klasse aufbauen bzw. wie wir die Kinder bestmöglich abholen können. Umgekehrt geben wir an die Kollegen in den Kindergärten weiter, was in der Schule verlangt bzw. vorausgesetzt wird, sodass sie ihrerseits die Kinder gut vorbereiten können.
Anita: Was uns besonders gut gefällt: dass wir das Gefühl haben, nach jedem Treffen mehr Verbundenheit zu erleben. Es ist ein Privileg in Wien zu wohnen und doch so ländlich Bildungsarbeit betreiben zu dürfen. Die Direktorinnen der Schulen kennen unsere Kinder und die Kinder kennen die Schulen noch bevor sie in die Schule gehen. Die unterschiedlichen Trägerinnen arbeiten über Projekte zusammen. Hier entsteht ein produktives Miteinander, unabhängig davon, welchen Träger das Kind besucht.
Was habt ihr euch für die nächsten Monate vorgenommen? Habt ihr Projekte, die euch besonders am Herzen liegen?
Sabrina: Um für die Rechte von Kindern zu sensibilisieren, gestalten einige der Esslinger Bildungseinrichtung gemeinsam mit den Kindern eine Botschaft zu einem der UN-Kinderrechte. Diese werden bei einem Treffen bei uns im Turnsaal zu einer großen, gemeinsamen Botschaft zusammengeführt. Mit den Botschaften aus anderen Bildungsgrätzln Wiens kommt unser Appell auf den Weihnachtsbaum in der Uno-City!
Edyta: Wir dürfen im Dezember den Bewegungsraum des Kindergartens in der Kaposigasse für eine weihnachtliche Kinderyogastunde nutzen – darauf freuen wir uns schon sehr. Im nächsten Jahr würden wir dann gerne mit einigen Kindern den "Klub+ All in Essling" besuchen und dort gemeinsam mit älteren Menschen etwas unternehmen.
Bettina: Für das nächste Teamtreffen haben wir uns vorgenommen, ein gemeinsames karitatives Projekt auszuarbeiten, bei dem wir auch die Familien einbinden möchten. Und ich freue mich schon auf "Klappe auf!" im nächsten Jahr – hier möchten wir gerne wieder teilnehmen!
Was möchtest du sonst noch gerne zur Nahtstellenarbeit oder zur Zusammenarbeit im Bildungsgrätzl Essling generell sagen?
Anita: Ich finde die verschiedenen Aktivitäten und Treffen immer sehr gut organisiert, alle Beteiligten zeigen ein hohes Interesse. Wir haben dadurch auch umliegende pädagogische Angebote kennengelernt und fix in unseren Jahresablauf implementiert. Wir besuchen nun z.B. mit unseren Kindergartengruppen den Garten der Vielfalt der Bio Forschung Austria in Essling und bieten erste Hilfe Kurse und Gedächtnistraining in Kooperation mit Akteurinnen aus dem Netzwerk Treffpunkt Essling an.
Bettina: Bei den Kindern, aber auch Eltern haben Ausflüge einen besonders hohen Stellenwert und es ist immer eine große Freude zu verspüren, wenn wir den Kindergarten verlassen. Es stärkt das Gemeinschaftsgefühl, die Gruppenzusammengehörigkeit und fördert das Selbstvertrauen der Kinder. Bei den verschiedenen Austausch-Treffen bekommen wir hierfür Anregungen und können persönliche Kontakte herstellen!
Vielen Dank für das Gespräch!
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Michaela Mainer
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