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Kann man in Zeiten des Klimawandels eine Straße durch den Nationalpark Donau-Auen argumentieren? (Foto: Barbara Deissenberger)

02.12.2021

Gerald König und Barbara Deissenberger in ESSLING Nr. 5

PRO & KONTRA: Lobautunnel

Pro von Gerald König

In Zeiten des - eindeutig menschengemachten - Klimawandels eine Straße durch den Nationalpark Donau-Auen argumentieren? Ruckzuck gibt es da das Todschlagargument „Wer Straßen säät, wird Verkehr ernten“ über die Rübe gezogen.

Als Esslinger mit Auto und notwendigen Wegen tut man sich aber schon ein wenig leichter, eine Lobauquerung zu befürworten: Täglich flucht man bei fast jeder Fahrt gen Westen bzw. Süden über die verstopften Straßen der Donaustadt - und die Süd-Ost-Tangente (A23) ist ohnehin nahezu immer verstaut. Zeitverlust, Umweltschäden und Ärger sind Folge. Die U2-Verlängerung in die Seestadt war erfreulich und lässt mich viele „Stadtwege“ via Öffis erledigen - eine Verlängerung bis nach Raasdorf, Groß-Enzersdorf hätte aber dauerhaft mehr Sinn ergeben. Das hat aber die kurzsichtige Verkehrsplanung Wien-Niederösterreich schon vor Jahrzehnten verbockt …

Auch die - schon lange geplante - Tunnelvariante macht mich nicht wirklich glücklich. Denn einerseits quert diese die Lobau im längsten Stück dieser Region und - Achtung, scharfer Tobak – tatsächlich wäre es meiner Ansicht nach den Hirschen, Rehen, Hasen, Wildschweinen und Konsorten ziemlich egal, wenn da eine Brücke über die Au führt. Davon (Brücken) gibt es nämlich schon zwei Paradebeispiele in oder an der Lobau: Die Praterbrücke zu Wien und die Donaubrücke Hainburg. Mir sind bezüglich der Existenz dieser Brücken eigentlich keine massiven Probleme für Flora und Fauna bekannt (außer dem Dauerstau auf der Praterbrücke)… – kennen Sie welche?

Sehr wohl problematisch finde ich die Nichtexistenz eines Autobahnrings um Wien, was seit Jahrzehnten unglaublich viele Mehrkilometer (Osttransit!) und Staus mit sich bringt. Darüber hinaus ist die Tunnelvariante wildsauteuer (jetzt spricht man schon von zwei Milliarden Euro!) und würde auch eine längere Bauzeit aufweisen. Darum würde ich die Brückenvariante bevorzugen – und die Lobau-Fans (zu denen ich übrigens auch gehöre, surprise!) sollten sich eher darum kümmern, dass die Au nicht noch weiter austrocknet. Das ist für Flora und Fauna deutlich relevanter als eine – gut lärmgedämmte – Straßenverbindung. Apropos Lärm: Der wird sicher nicht schlimmer als der schon vorhandene Fluglärm!

Ja, ich bin tatsächlich der – vielleicht auch bei vielen umweltbewussten Freunden unpopulären – Ansicht, dass man die Lobauquerung rasch umsetzen sollte. Und auch bei den Autofreaks aus Essling darf ich mich jetzt unbeliebt machen: 
Weil wir bequemen Wohlstandsgesellschaftsmenschen weiterhin individuell durch die Welt reisen wollen, der Autoverkehr aber ein massives Umweltproblem darstellt, werden wir unsere Fahrten wohl erst dann massiv reduzieren, wenn es wirklich teuer wird. Die Mobilitätswende (Elektro, Ausbau Öffis etc.) steht erst am Anfang, ist aber nicht mehr wirklich aufzuhalten – nur noch zu verzögern. Fette CO2-Abgaben auf Fossile Energieträger sind auch hierzulande längst fällig (Österreich ist die Diskonttankstelle Mitteleuropas!) – und die flächendeckende Kurzparkzone in Wien nehme ich als sinnvolle Maßnahme – auch als Esslinger Eigenheimbesitzer ohne Parkplatznot – gerne in Kauf.

 

Kontra von Barbara Deissenberger

Stau ist ein Raum-Zeit-Problem. Zum Glück ein einfacheres als Einstein im Auge hatte. Zum Unglück ein komplexeres, als dass es mit der Formel „Noch eine Autobahn!“ allein gelöst wäre. 

Ein Mensch in einem Auto unterwegs, das für vier Personen gedacht ist, braucht zu viel Raum. Zeitsparen durch Autofahren und dann das: Stau! Also: Wer braucht das Auto, um Werkzeug u.ä. zu transportieren, ist gesundheitlich nicht mehr fit genug für Öffis oder fährt zu mehrt? Der steht im Stau. Alle anderen machen den Stau. 

Nun geht es nicht um ein Autobahnprojekt irgendwo, sondern um eins durch den Nationalpark. Wie kam man  auf diese Streckenführung? 2001: Bei der Strategischen Umweltprüfung für den Nordosten Wiens werden kombinierbare Szenarien erarbeitet, um die Südosttangente zu entlasten: Ausbau der Öffis, sechste Donauquerung, Wiener Außenringschnellstraße S1. Verkehrsexperten, Vertreter aus Wirtschaft, Öamtc und Umweltorganisationen sind an Planung und Bewertung beteiligt. Man kommt auf eine optimale Variante, die die Donau auf Höhe des Biberhaufenwegs quert und den Nationalpark nicht berührt. Dafür bräuchte es einen Tunnel entlang des Donaukanals und Freudenauer Hafens, was als teuer veranschlagt wird. Zudem wären Freudenauer und Alberner Hafen sowie Siedlungen in Nähe Biberhaufenweg in der Bauzeit beeinträchtigt. Die Stadt Wien entscheidet sich daher im Abschlussbericht 2003 für eine andere Strecke: Sie quert die Donau beim Ölhafen und untertunnelt die schmälste Stelle der Wiener Lobau. 

Zwei Jahre vergehen. 2005: Häupl, Pröll und der damalige Verkehrsminister Gorbach präsentieren jene Strecke, die bei der Prüfung am schlechtesten abschnitt. Sie liegt im Grenzbereich zwischen Wien und Niederösterreich und weist damit politisch gesehen die wenigsten Hürden auf. Dass die Lobau an ihrer breitesten Stelle gequert wird, was die meiste Umweltzerstörung zur Folge hat? Keine Hürde. Dass die Strecke durch ihren Verlauf am Stadtrand dort Einkaufszentren zeitigt, die man erst wieder mit dem Auto anfährt? Keine Hürde. Dass der Tunnel in der geologisch instabilen Zone des Schwechater Tiefs liegt? Hm. Dass für den Bau das Erdreich mit giftigen Chemikalien verfestigt wird? Geh bitte, eh sauber. Dass man Grundwasser abpumpt und die Erholungsgebiete beim Großenzersdorfer Arm und Elferl leiden? Erzählen wir net rum. Dass im Untergrund Ölleitungen verlaufen, die schon bei minimalen Eingriffen leck werden? Na ja. Die Liste ließe sich mühelos weiterführen.   

2021: Weder Brücke noch Tunnel muss durch die Au. Diese Streckenführung war nie in Stein gemeißelt! So hat sich mittlerweile das ganze Projekt überholt. Statt Naherholungsgebiet jahrelange Monsterbaustelle und dann Lärm und ungefilterte Abgase (ob von Brücke oder geplanten Abgasschächten)? Endlich drauf los bauen als plakativste Scheinlösung und dann nicht gewusst haben wollen, dass keine Entlastung kommt? Geht nimmer. Stattdessen: Das gleiche Geld ziel- und zukunftsgerichtet in einen bundesländerübergreifenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs investieren! 

AutorInnen: Gerald König und Barbara Deissenberger


Tagged: Stadtteilmagazin |

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