Weg durch Essling entlang von Möglichkeiten, aufgereiht, wie Perlen, die zum Mitmachen und Innehalten einladen.
21.04.2021 14.25
Es ist der 21. April 2021. Helles Licht, wohlige Wärme in der Frühlingssonne, verleiten mich, nach einigen kühlen, von regnerischem Wetter geprägten Tagen zum Spaziergang von der Duchekgasse zur Gartenheimstraße und retour.
Unbeschwertes Kinderlachen vom eingefriedeten Spielplatz der Ganztagesvolksschule Kirschenallee, wo die Volksschüler in Gruppen ausgelassen in Spiele vertieft, ihre Pausen genießen. Ich befinde mich inmitten einer „Meile“ von Orten für Freizeit- Sport- Rückzug. Es ist das Areal entlang der Kirschenalle von der Esslinger Hauptstraße bis zur Reinholdgasse, beginnend mit Fußball- und Tennisplätzen, über die tolle Ganztagsschule mit Spielplatz, den großen Holzspielplatz und ein Stück weiter, ein begehbares Waldstück mit einem Wintersporthügel für die Kleinen. Möglichkeiten sind aufgereiht wie Perlen, laden zum Mitmachen oder einfach zum Innehalten ein.
Die Kirschblüte zeigt sich im Wechsel der Jahreszeiten, als ein Höhepunkt des immer wiederkehrenden Wandels. Ein Zeitpunkt und Ort für ein erstes Anhalten am Weg, stehen bleiben, sein! Die nach den Kirschbäumen benannte Allee mündet gewissermaßen in die Esslinger Furt, eine der Zutrittspforten in die Lobau. Die gewaltige Naturschönheit dieses Nationalparks weckt in mir unmittelbar Erinnerungen an emotionale Momente meiner Kindheit. Bilder von Tagen auf einem Einschichtbauernhof inmitten von Wäldern. Wenn Heimat nicht nur ein Ort, sondern ein Platz im Herzen ist: hier trifft beides für mich zu. Sitzbänke laden ein zum Verweilen unter den Blüten.
Quer durch die Gassen der Siedlungen geht’s in Richtung Ortskern … Grossmannstraße, Schlachthammerstraße, durch die kaum bekannte Gleichgasse … vorbei am Gartengeschäft Gaderer, am Spielplatz Colerusgasse … Kompakte Wohnhausanlagen, Reihenhäuser, hier und da noch ein paar ältere, meist kleinere gepflegte Häuser aus der Nachkriegszeit. Es wird viel gebaut. Begehrt ist hier der Wohnraum, in dessen Umfeld sich noch der Atem der Natur spüren lässt. Moderne Einfamilienhäuser, auch architektonische Vielfalt, oft mit Flachdächern, manche lassen Assoziationen mit Seilbahnstationen in den Bergen aufkommen. In den Nebengassen ist es ruhig, manchmal ein Auto, ein Radfahrer, wenig bewegt sich, hier und da eine streunende Katze. Vogelstimmen, Stimmen im Plauderton und Geschirrklimpern aus einem Garten hinter Hecken: wahrscheinlich erste Kaffeekränzchen im Freien.
Anhalten am Kirchplatz: eine große Betonfläche, die an die Gemeindebauanlage grenzt. Kalt und grau. Einladend zum Innehalten am ehesten noch die alten großen, langsam austreibenden Baumbestände bei der Wohnhausanlage. Meine Erinnerungen an Kirchplätze am Land drängen sich vergleichend in der Rückschau auf: Kirche, Wirtshaus mit Gastgarten, Raum für Beieinanderstehen und Austausch luden dort zum Verweilen ein. Vorwiegend nach der Sonntagsmesse. All das finde ich im Ansatz auch hier. Dennoch scheint gefühlt ein deutlicher Unterschied. Verstohlen hinter der Kirche Sitzbänke, ein kleiner Spielplatz, nett gestaltet das Café Fredi, neuerdings mit einer Art Mini-Schanigarten: ein Willkommensgruß. Das macht Hoffnung, es könnte noch was werden mit einem gemütlichen Kirchplatz. Weiter geht‘s, vorbei an den braunen Stahltraversen einer gewöhnungsbedürftig langweiligen Wegüberdachung im Kirchenbereich. Ja, das ist es. Ich überlege, was dem Ort mehr Gemütlichkeit verleihen würde. Bilder von Möglichkeiten drängen sich in mir auf. Erfrischend wäre eine Bepflanzung dieser Metallsteher: dichtes Grün von Efeu oder Clematis. Brüchige Flächen im Beton wären leicht mit bunten Fliesenstücken künsterisch zu gestalten. Und verschiedenfarbige Klappsessel würden zum Niederlassen einladen. Sich zusammen setzen, vielleicht sogar ein Jour fixe einrichten, mit Themen die uns bewegen …
Die Esslinger Hauptstraße pulsiert. Auf der anderen Straßenseite schließt das „Schloss Essling“ samt Restaurant den Platz reizvoll ab. „Schloss“ klingt viel versprechend. Ich betrete das Innere dieses Gebäudes: leerstehende Räume warten auf innovative Mieter. Ein vor Jahren sehr gepflegtes Cafe, wo ich sonntags manchmal Mehlspeisen geholt habe, wie auch ein Reisebüro, haben sich inzwischen verabschiedet. Den Durchgang nach hinten kenn ich gut. Er führt zum Schüttkasten mit dem Sondermuseum Aspern 1809.
Mein Weg führt nun die Hauptstraße stadtauswärts, vorbei an der Baustelle, wo früher der Adeg war. Bald bin ich bei der nächsten gastronomischen Einrichtung die sich „Pizzaliebe“ nennt (wieder nicht ein von mir geliebter Wirtshauscharakter). Erinnerungen an den „Müllner“ werden wach, den es nicht mehr gibt … Dann: bunt, kräftig, blumig – der wunderschöne Tulpengarten rund um das Fatty George Monument. Wow, danke den Gärtnern. Dahinter der Bill-Grah-Park, mit Teich, wohl anstelle eines Dorfbrunnens. Angenehm die Sitzbänke, die vor allem von Müttern mit Kindern gerne aufgesucht werden – auch heute. Mit meiner Tochter war ich häufig da in ihren ersten Jahren, verliebt in den angelegten Wasserfall und das Biotop. Zu einer Zeit, als es da auch noch einen schönen Pavillon gab…
Hier beginnt auch die Gartenheimstraße, meine vormalige Wohnadresse. Der Weg führt zu meinem Hausarzt und in weiterem Verlauf in die Erlösung, zum Esslinger Friedhof. An dieser Kreuzung gibt es Apotheke, Ärztezentrum, das Fat George Café mit Pizzeria und Pension im Hinterhof, wo leere Tische und Sessel auf Besucher warten. Die Inhaberin eines dort etablierten Nagelstudios freut sich in einem netten Gespräch auf die Möglichkeit des Wieder-Aufmachens nach dem Lockdown.
Bill-Grah-Park - noch immer ein einladender Ort zum Verweilen. Das Plätschern des Wassers, Geplauder spielender Kinder, mischt sich mit dem Geräuschpegel der Hauptstraße und des vorbeiziehenden Busses 26A, was mich wieder darin erinnert, doch in einer Großstadt gelandet zu sein.
Mein Blick schweift ab in den Jazzpark auf der anderen Straßenseite, dominiert vom zu selten aktiven Kulturstadel, dem von manchen umstrittenen Kriegerdenkmal und dem oft nicht wahrgenommenen Fatty George Museum. Hier schließt sich der Kreis: Wieder beweg ich mich entlang einer eindrucksvollen Achse südwärts, step by step, vorbei an einem großen Kinderspielplatz, einem Volleyball Feld, einer Scooter-und Skateboard-Ramp und der Jugend-Box in Richtung Lobau. Auch diese Meile an Möglichkeiten ist eine Allee: die Raphael-Donner-Allee.
Durchatmen ob der Fülle. Ein Blick zurück, ein zweiter, dritter, noch bewusst wahrnehmen und wertschätzen … bevor es wieder heimwärts geht.
Mit Achtsamkeit breitet sich am weiteren Weg ein sattes Gefühl von Lustwandeln aus.
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