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27.05.2021

Deissenberger in ESSLING Nr. 3

In den folgenden Tagen stellen wir dir das AutorInnenteam des stadtteilmagazins und ihre Artikel der Winterausgabe 2020 vor. Hier der Artikel von Barbara Deissenberger "Inmitten von Grün - Literarische Einblicke und kritische Ausblicke von Barbara Deissenberger".

Am Anfang war das Haus. Hoch mit rotem Dach, inmitten von Grün: ein Nadelbaum, groß wie im Wald, Sträucher, die ich erst mit der Blüte erkennen würde und wuchernde Forsythien, gelb und leuchtend. Dann kam die Au. Wir gingen die Straße Richtung Süden, bis sie Feld wurde und das Feld entlang, bis es Wald wurde und hinein in den Wald, wo uns das Wasser entgegentrat: verbunden mit Erde und Wurzeln. Das Haus kauften wir. Es ist alt, verbunden mit Gegend und Geschichte. „Wir wohnen an der Küste!“ schwärme ich Freundinnen aus „der Stadt“ vor. In einer Ortschaft mit Häusern, die sich in die Landschaft fügen und einer Landschaft, die vom Wasser geprägt wird. An der Küste? Ja, weil es nicht einen Badeteich, sondern mehrere gibt. Gleitet man in der Sommerhitze still durchs Wasser, steht bisweilen ein Reh am Ufer und trinkt – Idylle. Teichrosen, Weiden und Biber gefällte Baumstämme – Abgeschiedenheit. Dafür war der Weg zur nächsten U-Bahn lang, als wir hierher zogen. Erst mit den Jahren rückte sie näher. Und mit ihr weitere Menschen, die hier wohnen wollen. In Grünruhelage. Aber ist sie das noch? Grün und ruhig? Mit dem Baulärm, den Kränen und Lastwägen, die nun durch die Siedlung fahren. Alte Häuser wie unseres werden abgerissen. Ihre Gärten werden zur Baufläche weiterer Häuser. Die nahe U-Bahn genügt nicht mehr. Alle brauchen ein Auto oder zwei. Und Autos brauchen Straßen oder Autobahnen. Das Projekt dazu stammt aus einer Zeit, bevor der Klimawandel und seine Folgen allseits bekannt waren. Es heißt: Lobau-Autobahn. Sie ist ein Teil der S1 Wiener Außenring Schnellstraße und als etwa acht Kilometer langer Tunnel durch den Wiener Nationalpark geplant. Tunnelröhren durch einen Grund voller Wasser. Was bedeutet das für die Badeteiche? Was für die Pflanzen und Tiere der Au? Ich beteilige mich an Facebook-Debatten darüber in der Essling-Gruppe und an Petitionen. Dazwischen mache ich Urlaub, immer wieder. Sogar wenn ich untertags arbeite, kann ich abends bei Zumba mit Wolfgang Sommer oder einem Konzert der „Pure Drums“ im Jazzpark tanzen und entspannen. Natur und Kultur – das ist Essling für mich. Ich wechsle zwischen Auszeit und Zeiten, in denen Handeln angesagt ist: wie das Gespräch beim Donaustädter Bezirksvorsteher gemeinsam mit einer Esslinger Freundin – nicht nur wegen der Autobahn, sondern auch wegen groß dimensionierter Wohnbauten in Lagen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht  gut erreichbar sind. Aber das ist eine andere Geschichte, die im nächsten stadtteilmagazin erzählt werden soll. Diese Geschichte hier soll enden, wie sie begonnen hat: inmitten von Grün. Inmitten von Grün radle ich sommers in die Au: zu Wasser, Ringelnattern und Pappeln. Färbt der Herbst es bunt, lassen mein Kind und ich Drachen auf Lichtungen steigen. Wohnt es im Winter nur mehr in Nadelbäumen, tröste ich mich mit dem stillen Hauch über den Teichen, bis im Frühjahr Schneeglöckchen eine neue Saison einläuten und das erste Grün das graue Winterschilf durchwirkt. 

Text: Barbara Deissenberger

Illustration: Hermann Steier

AutorIn:

Leya Hempel


Tagged: Stadtteilmagazin

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