Eine Weihnachtsgeschichte von Gaby Mühlbauer - Treffpunkt Essling - Mittendrin und doch Daheim!

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08.12.2020

Eine Weihnachtsgeschichte von Gaby Mühlbauer

Essling hat literarisch einiges zu bieten. Der Verein Kultur im Wohnzimmer organisiert Lesungen an öffentlichen und privaten Orten. Barbara Deissenberger ist Schriftstellerin und bereichert uns mit ihren Romanen und ihrer Kolumne in ESSLING- ein stadtteilmagazin. Gaby Mühlbauer wird ab nun regelmäßig ihre Kurzgeschichten auf unserer Website veröffentlichen und so die literarische Atmosphäre Esslings verdichten.

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Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art!

Es war kurz vor Weihnachten, die Parkplätze der Tiefgarage des Donauzentrums waren alle besetzt. Nach einigen Runden, die ich drehen musste, fand ich endlich einen freien Platz. Auch der Aufzug und die Gänge zwischen den Geschäften waren voll von Menschen. Wieso, denk ich schon etwas genervt, habe ich mich wieder darauf eingelassen, mich zur Vorweihnachtszeit hier her zu begeben. Aber nun war ich mal da, würde mich mit Gerhard meinen Mann treffen um trotzdem in aller Ruhe unsere Einkäufe zu erledigen. Es waren nur wenige Sachen, die wir besorgen mussten.

Da ich etwas zu Früh dran war, begab ich mich in das nächste Cafe. Als ich mich setzen wollte, stand unter dem Tisch ein Geschenk - Sackerl. Weihnachtspapier und bunte Bänder befanden sich darin. Ich blickte mich um, doch niemand war in der Nähe. Ich wollte gerade die vergessenen Utensilien zur Theke bringen um sie einen Ober zu übergeben, als eine ziemlich korpulente Dame, mit schlohweißem Haar zu meinem Tisch kam und mit fester Stimme fragte: „Ist hier noch Platz?“

„Ja, natürlich.“ antwortete ich und zeigte ihr das vergessene Sackerl. 

„Ach,“ meinte sie, „wenn ich nur alles hätte, was ich im Laufe meines Lebens irgendwo vergessen habe…“ Sie unterbrach ihren Satz mit schallemden Gelächter. Dieses Lachen war so ehrlich und ansteckend, dass ich mitlachen musste.

So kamen wir ins Gespräch. Also mehr oder weniger, es war eher ein Monolog, denn die Fremde erzählte mir aus ihrem Leben, so als würden wir uns schon ewig kennen und hätten uns aus diesem Grunde hier getroffen. Ich erfuhr, dass ihr Mann, anscheinend ein hohes Tier und deshalb ihr Leben ein sehr fremd bestimmtes, voll von Verpflichtungen und nach strikten Regeln geführtes, gewesen war.

Bis vor einigen Monaten. An ihrem 70. Geburtstag machte sie sich selbst ein Geschenk. Ab jetzt wollte sie so leben, wie sie es für richtig fand. So beschloss die sonst immer auf ihre Figur bedachte Dame, zu Essen was ihr auch immer schmeckte.

„Man siehts ja an meiner Figur“. Sie fasste sich mit beiden Händen an ihrem Bauch. „Es ist gut alt zu sein, ich bin es gerne, denn was kann mir noch geschehen, wem muss ich noch gefallen?“ meinte sie mit einer Fröhlichkeit die mich selber Froh machte.

Sie plauderte immer weiter von neuen Freunden, die sie kennen lernte, die so normal waren, dass man mit ihnen einfach Einkaufen, auf einen Cafe oder ins Kino gehen konnte. Menschen bei denen man sprach wie einem der Mund gewachsen war, ohne gleich verurteilt zu werden oder den strafenden Blick des Göttergatten ertragen zu müssen.  

„Ja - übrigens - mein Mann“, meinte sie zögernd und lachte dann wieder aus vollem Halse, „der wird sich wohl damit abfinden müssen, dass jetzt neue Zeiten angebrochen sind.“

Ja jetzt war sie frei, musste niemanden mehr etwas beweisen, konnte sein wie sie eben war und das genoss sie in vollen Zügen. Sie hatte eine so positive und glückliche Ausstrahlung, sodass ich mich plötzlich selbst ganz glücklich fühlte, mitgerissen von ihrem Temperament.

Wir umarmten uns beim Abschied und obgleich ich wusste, ich würde die Dame wahrscheinlich nie wiedersehen, ahnte ich, dass diese Begegnung eine große Bedeutung für mich und mein Leben haben würde. Als Mittfünfzigerin macht man sich ja ab und zu schon sorgenvolle Gedanken ums Alt werden.

Als ich meinen Mann von weitem sah, lief ich ihm entgegen und umarmte ihn ganz fest. Dann sah ich ihm tief in die Augen.

„War was?“ meinte er.

Ich wandte mich um, um ihm die Frau zu zeigen, jedoch ihr Sitzplatz war leer. Nur noch das vergessene Sackerl, dass nun auch wir vergessen hatten, dem Kellner zu übergeben, stand am Tisch.

„Nein, was soll gewesen sein?“ antwortete ich lachend, „ich freu mich nur darauf mit dir gemeinsam alt zu werden.“

Gerhard sah mich fragend an, ich jedoch nahm ihn fröhlich bei der Hand und zog ihn ins Weihnachts-Getümmel.

Ich aber habe diese Begegnung von damals, bis heute nicht vergessen. Diese wunderbare Frau hatte in mir etwas bewegt, dass meine Einstellung zum Altwerden vollkommen zum Positiven veränderte. Ich erhielt diese Erfahrung durch Zufall, als Weihnachtsgeschenk der besonderen Art.

Autorin: Gaby Mühlbauer


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